Ursachen von Gewalt

Auf der individuellen Ebene ist gewalttätiges Verhalten oft auch Ausdruck von Fehlentwicklungen in der Bindung zu ersten Bezugspersonen in früher Kindheit sowie eigenen traumatischen Erfahrungen in der Kindheit. Retrospektive Untersuchungen zeigen, dass Jungen und Mädchen, die in ihrer Kindheit Gewalt zwischen den Eltern erlebt haben oder selbst misshandelt wurden, in ihren späteren Partnerschaften selbst Gewalt ausüben oder Gewalt erleiden.

Miterlebte Gewalt zwischen den Eltern erschwert Mädchen und Jungen die Entwicklung einer eigenen Identität. Es fehlen positive Rollenbilder zum Frau-Sein und Mann-Sein. Viele Mädchen orientieren sich deshalb eher an traditionellen Rollenbildern. Weiblichkeit wird verbunden mit Attributen wie Sanftmut, Anpassungsbereitschaft, Selbstlosigkeit, Abhängigkeit, Mütterlichkeit, Empfindsamkeit und grenzenlosem Verständnis.

Männliche Jugendliche orientieren sich an Rollenbildern vom Mann-Sein mit den Attributen Kraft, Durchsetzungsvermögen, Härte, Aggressivität, Überlegenheit und Macht.

In der von PLAN international im Jahr 2023 veröffentlichten Studie „Spannungsfeld Männlichkeit. So ticken jungen Männer zwischen 18 und 35 Jahren in Deutschland“ äußerten 52 % der befragten jungen Männer, dass sie ihre Rolle darin sehen, im Beruf genug Geld zu verdienen. Für Hausarbeit ist ihrer Meinung nach vor allem die Partnerin zuständig.

  • Über die Hälfte der befragten jungen Männer ist der Überzeugung, sie seien schwach und angreifbar, wenn sie Gefühle zeigen.
  • 49 % finden es wichtig, in der Beziehung oder Ehe das letzte Wort bei Entscheidungen zu haben.
  • 39 % der jungen Männer möchten zudem, dass ihre Partnerin die eigenen Ansprüche zurückstellt, um ihnen den Rücken freizuhalten.
  • Mehr als ein Drittel der befragten jungen Männer gibt an, dass sie gegenüber Frauen schon mal handgreiflich werden, um ihnen Respekt einzuflößen. Für jeden dritten jungen Mann ist es akzeptabel, wenn ihm bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht.

Durch starre Rollenbilder wird eine gleichberechtigte Partnerschaft erschwert, in der die Frau auch stark und rational sein darf und der Mann auch Gefühle zeigen darf und beide Partner alle Facetten einer eigenständigen Persönlichkeit leben dürfen.

Lebensumstände wie z.B. Arbeitslosigkeit, Schulden, übermäßiger Alkoholkonsum und andere Suchterkrankungen können die Hemmschwelle für gewalttätige Übergriffe senken, sind in aller Regel jedoch nicht die Ursache gewalttätigen Handelns.

Auf gesellschaftlicher Ebene basiert Gewalt gegen Frauen auch auf gesellschaftlicher Macht-Ungleichheit und auf mehr oder weniger subtilen Formen der Benachteiligung von Frauen wie z. B. schlechterer Bezahlung von Frauen bei gleicher Leistung, fehlender Besetzung von hochdotierten Jobs mit Frauen in Industrie und Wissenschaft, fehlender Vertretung von Frauen in Politik und Verwaltung usw..

In allen Kulturen, in denen Frauen unterdrückt werden, sind Frauen auch von Gewalt betroffen. Das gewalttätige Verhalten wird häufig bewusst oder unbewusst zur Ausübung von Macht und Kontrolle eingesetzt. Es geht einher mit ausgeprägten männlichen Anspruchshaltungen und Dominanzvorstellungen.

Gewalt ist abhängig von kulturellen und sozialstrukturellen Bedingungen. Männliche Gewalt ist in einer Gesellschaft in dem Maße vorhanden, in dem diese Gewalt von der Gesellschaft toleriert und nicht geächtet wird.